DIE GESCHICHTE VON GERERSDORF

Den Bestand unserer Gemeinde können wir allem Anschein nach bis ins Jahr 1190 zurückverfolgen. 1183 stiftete der ungarische König Bela III. die Zisterzienserabtei von St. Gotthard. Sein Sohn Emmerich berichtet in der genannten Urkunde aus dem Jahr 1193, daß die Zisterzienser von St.Gotthard „ad Sacrum Fontern, in territorio vidilicet Novicastri“ – also beim „Heiligen Brunnen“ im Gebiet der Neuen Burg (Güssing), Weingärten besitzen, die sie mit Einwilligung und Gutheißung des glorreichen Königs Bela III. teils erworben, teils als Almosen bekommen haben. Unter den Namen der Weingartenspender finden wir auch einen „Gerolt“, in dem wir den Grundherren von Gerersdorf vermuten dürfen. 1428 ist in Gerollt (Gerersdorf) tatsächlich eine Familie Gerolth mit dem Beinamen von Szabor nachzuweisen, die unter sich die Gemeinden Girolt, Limbach, Bocksdorf, Kukmirn und Unter Neusiedl verteilte, und die in den Jahren 1444 bis 1447 in Girolt ein Schloß erbaute.

Die Erinnerung daran, daß der Ort einst ein Schloß besessen hat, ist bei der Gerersdorfer Bevölkerung bis heute lebendig geblieben. Darauf weist uns vor allem der Name „Taborriegel“ hin, den die Wasserburg im Volksmund führt. Die Überreste jener Wasserburg sind heute südwestlich von Gerersdorf in der Wiese am rechten Ufer des Zickenbaches zu sehen. Bemerkenswert in der Anlage ist vor allem der gut erhaltene Rest eines durch einen einfachen Wassergraben geschützten herrschaftlichen Gebäudes. Das Mittelwerk dieses sogenannten „Rundlings“ ist durch Aufschüttung des Aushubmaterials aus dem Graben um rund einen Meter gegenüber dem umliegenden Gelände erhöht. Der Durchmesser beträgt etwa 11 m. Der Baumbestand bildet sich vor allem aus Obst- und Eichenbäumen sowie aus Weidenbuschwerk. Im nordöstlichen Viertel ist der Graben mit Wasser gefüllt, im übrigen ist er durch den reichlichen Pflanzenbestand als versumpft zu betrachten, nur im Südwesten ist eine landfeste Stelle anzutreffen. Der umgebene Graben weist eine Sohlenbreite zwischen zwei und drei Meter auf, die Böschung zum Mittelwerk ist relativ flach und durchwegs rund sechs Meter breit. Der Graben wurde damals vermutlich aus dem etwa 100 Meter entfernten Zickenbach mit Wasser versorgt. In einer Mulde, die sich im Nordwesten ein Stück verfolgen läßt, können wir wahrscheinlich die Überreste des ehemaligen Zulaufes sehen. Die Plattform des Rundkegels ist verhältnismäßig klein, was die Vermutung nahe legt, daß sich darauf ein turmartiges Gebäude befand. Der eigentliche Hof mit den Wirtschaftsgebäuden war oben im Dorf.

Der Ortsname leitet sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit von den Römern ab. Im Laufe der Jahrhunderte durchlief er eine Entwicklung, die von 1400 – 1600 von Girolt über Gyrolth, Grood, Geroth, Groth zu Chyroth führte. Von 1600 – 1800 taucht der Ort unter den Namen Giroth, Zenth, Goroth und Zsent Groth auf. Ab 1800 finden wir den Namen Gerersdorf bzw. Nemethszent Groth.

Die Besiedelung des Gerersdorfer Gebietes erfolgte vorwiegend durch Franken aus dem Maintal, aber auch durch vor den Türken fliehende Südslawen aus Bosnien und Kroatien. Ebenso siedelten sich ungarische Familien an. Bis zum Jahr 1496 bildete Gerersdorf mit seinen zugehörigen Gemeinden unter den Gyroltern eine selbständige Herrschaft. Von 1496 bis 1500 gehörte es unter den Geschlechtern der Baumkirchner, Purckhaim und Batthyány der Burg Schlaining an, danach bis 1848 zur Güssinger Herrschaft. Wie die umliegenden Gemeinden wurde auch das Gerersdorfer Gebiet im Laufe seiner Entwicklung vielfach von außen bedroht. Besonders schwer hatte die Bevölkerung unter den Einfällen der Türken und Haiducken zu leiden, die plündernd und brandschatzend durch das Gebiet zogen und schwere Verwüstungen zurückließen.

Die Lebensgrundlage der Gerersdorfer Berghäusersiedlungen dürfen wir in erster Linie im Weinbau vermuten. So wird in den vorliegenden Urkunden auch oft vom „Weingebirg“ gesprochen. 1758 gab es in der Gemeinde genau 120 Weingartenbesitzer. Da die Weingärten sehr oft ziemlich weit von den Häusern der Bewohner entfernt waren, bauten sich im Laufe der Zeit viele Bauern direkt neben ihrem Weingarten ihr Haus, was den Vorteil hatte, daß man unmittelbar neben dem Arbeitsplatz wohnte und diesen dadurch auch ständig bewachen konnte. Mit dem Aufkommen der Reblaus, durch die ein Großteil der Weinkulturen vernichtet wurde, kam auch der Weinbau zum Erliegen. Für viele Weinbauern bedeutete dies einen Entzug der Existenzgrundlage und völlige Verarmung. In der Folge errichteten viele der verarmten Bauern Wohnungen in den Weinkellern – damit war die Grundlage zur heutigen Streusiedlung gegeben.

Im 18. Jhdt. versuchten sich die Gerersdorfer auch – und nicht erfolglos – im Tabakanbau. Damals wurde sogar ein recht florierender Handel mit Graz betrieben. Bis zum Jahr 1766 mußte dafür ein Handelszins an die Herrschaft bezahlt werden. 1784 erscheint Gerersdorf als Markt (Szent Groth – Markt Gerersdorf).

Im Jahr 1900 hatte die Marktgemeinde Gerersdorf laut einer ungarischen Volksstatistik bereits 1011 Einwohner. Von diesen wanderten noch im selben Jahr 106 Personen nach Amerika aus. Im Ersten Weltkrieg kämpften ca. 120 Männer an der Ost- und Südfront. Die Gemeinde hatte 18 Tote zu beklagen. Russische Kriegsgefangene arbeiteten in der Landwirtschaft.

Bereits 1894 wanderte der 1866 geborene Georg Wagner nach New York aus. Er konnte zu dieser Zeit nicht ahnen, daß ihm noch mehr als 480 Personen aus seinem Dorf folgen würden. Das erste Drittel zog nach Pensylvania, der große Rest nach New York. Von den 190 Häusern des Ortes war nur aus zwei niemand nach Amerika gezogen. Ohne Zweifel leben heute mindestens so viele Gerersdorfer in Amerika wie zu Hause. Obwohl die Abwanderung aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage enorm war, entwickelte sich auch kulturelles Leben. So wurde im Jahr 1922 ein aus 33 Mitgliedern bestehender Männergesangsverein und 1937 eine Volkstanzgruppe gegründet. Von der bereits 1884 gegründeten Ortsfeuerwehr wurde unter dem Kommandant Andreas Nedwall im Jahre 1932 die erste Motorspritze angeschafft.

Andreas Nedwall war schon in der Zwischenkriegszeit eine führende Persönlichkeit und hat die Interessen der Gemeinde und des südlichen Burgenlandes in den Jahren 1945 - 1949 als Landtagsabgeordneter und von 1949 -1958 als Nationalratsabgeordneter mit Einsatz und auch erfolgreich vertreten .

Im Zweiten Weltkrieg herrschte durch die Einberufung des Großteils der Männer ein akuter Mangel an Arbeitskräften in der Landwirtschaft, so daß franz. Kriegsgefangene eingesetzt werden mußten. Beim Vordringen der russischen Truppen gab es hier heftige Kämpfe, wobei auch die Ortsbevölkerung Tote zu beklagen hatte. Sechs Häuser brannten nieder, die Kirche und die Schule erhielten Granattreffer. Am 6. April 1945 wurde der Ort von russischen Truppen besetzt und die Schule als Lazarett eingerichtet. Gerersdorf betrauert 26 Gefallene und neun Ortsbewohner, die an den Folgen des Krieges starben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann auch in Gerersdorf eine rege Aufbauarbeit. Nachdem das Dorf bereits vor dem Zweiten Weltkrieg mit elektrischem Strom versorgt wurde, erfolgte 1951 auch die Elektrifizierung der Streusiedlungen.

1957 wurde mit der Regulierung des Zickenbaches begonnen und der Ausbau der Güterwege in Angriff genommen. Dies war vor allem für die Bewohner der „Bergen“ ein großes Anliegen. Aufzeichnungen in der Schulchronik zufolge konnten im Jahre 1954 infolge Hochwassers 2/3 der Schüler an elf Tagen die Schule nicht besuchen. 1960 begann man mit dem Ausbau der Ortswasserleitung, und ein neues Gemeindehaus wurde errichtet.

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